ERR °C: -1° Celsius – Einsamkeit

Meta Daten:

Erstveröffentlichung: 04.12.2023
Genre: Drama/???
Cover Hintergründe: Pixabay.com / Gerry (Text in den schwarzen Flächen)

Text Version: 1

Teile: 0 1 2 3

Ich war noch nie der Menschenfreund. Aber seit der Umweltkatastrophe macht sich schon das Gefühl der Einsamkeit breit. Es ist so ruhig geworden. Nichts scheint mehr zu leben. Außer mir. Ich schaue auf das Display neben dem Aufzug. In den nunmehr zwei Jahren haben viele um Hilfe gebettelt. Die Leichen vor meinem Haus zeigen deutlich, wie ich dazu stand. Es liegt auch eine Leiche im Eingangsbereich des Hauses. Das Arschloch, welches Schuld daran ist, dass ich niemandem mehr geholfen habe.
Und doch wünsche ich mir seit einiger Zeit, dass vielleicht doch noch jemand an meiner Tür klopf. Vielleicht jemand wie ich?

Ich gehe zurück in die Mitte des Wohnzimmers und lehne mich an die warme Säule.
»Hmm. Gleich ist wohl wieder Zeit zum Lüften«, stelle ich fest, da die Säule an Wärme verliert. Also setze ich mich in meinem Sessel, auf dem ein Schlafsack liegt, und wickele mich ein. Ein Knacken zieht durch die Wände. Die Lüftungsschächte öffnen sich und gehen in den Betrieb.
Sehr schnell weht ein kühler Wind um meine Nase. Es ist wirklich eisig. So sehr, dass ich den Schlafsack bis zu meinem Scheitel hochziehe. Es wird scheinbar immer kälter draußen.

Wenige Minuten später knackt es wieder und die Pumpe in der Säule setzt sich in Gang. Im Schlafsack hüpfe ich hin und genieße die immer wärmer werdende Struktur. Nach einer Weile pelle ich mich aus der dicken Haut. Im Bad prüfe ich, ob das kalte Wasser noch fließt. Es fließt. Schnell mache ich es wieder aus, um nichts zu verschwenden.
»Die Solar Vorrichtung scheint noch ihren Dienst zu tun«, stelle ich fest. Das Wasser könnte mit zunehmender Kälte gefrieren. Aber noch funktionieren die Solarpaneele, welche das Wasser im flüssigen Zustand halten. Beruhigt setze ich mich an meinem Tisch.

Ich schaue mir die unzähligen Seiten an, auf denen ich Menschen gezeichnet habe, denen ich mal begegnet bin. Meine erste Frau. Chefs. Mitarbeiter. Flüchtige Bekanntschaften. Ich denke, wenn die Leute das wüsste, würden sie es komisch finden. Ein superreicher Firmengründer, der malt.
Aber was hab ich auch noch? Gut. Ich habe tatsächlich viele Bücher. UNd theoretisch könnte ich auch das Stromnetz anzapfen und DVDs schauen. Und auch wenn die Stromversorgung tief in der Erde mitgesichert ist, möchte ich kein Risiko eingehen. Der Minireaktor, der dort verbaut ist, war sehr experimentell. Jederzeit könnte er mir unterm Arsch hochgehen.

Er versorgt die Sicherheitsanlagen, die Pumpen und alles andere in diesem Haus. Laut der Wissenschaftler im Forschungsinstitut von Grimmoldfield-Nord, soll er zwar eine Kleinstadt versorgen können, aber dadurch, dass die Leitungen wirklich lang sind, kann jede Belastung auch eine Störung herbeiführen. An diesem Haus ist alles speziell. Sogar die Leitungen.
Ich gehe ans Fenster. In der Regel versuche ich nicht mehr rauszuschauen. Es deprimiert mich, nicht mal mehr ein Tier zu sehen. Und manchmal überlege ich, ob es der Welt geholfen hätte, hätte ich die Informationen vorher schon freigegeben. Aber selbst die Wissenschaftler im Norden hätten da nichts machen können.

Zudem denke ich, dass die das garantiert schon wussten. Sie Kontrollierten schließlich alles in Grimmoldfield. Das Wetter. Das Licht. Sogar die Jahreszeiten. Und sie werden festgestellt haben, dass gegen die eindringende Kälte von außen nichts hilft. Nicht einmal ihr wissen.
Mitten im Gedankengang nehme ich eine Bewegung wahr. Ich laufe direkt zu meinem Tisch und hole ein Fernglas, um die Bewegung zu verfolgen. Es ist ein Mensch. So dick eingepackt, dass man kein Millimeter Haut sieht.

Er scheint gezielt auf mein Haus zuzugehen und schaut mich auch immer an. Naja. Zumindest in meine Richtung. Schleppend bewegt er sich fort, und hat die Arme fest um sich geschlungen. Immer weiter kommt die Person auf mein Haus zu und meine Gedanken überschlagen sich.
›Was ist, wenn dieser Mensch mich auch angreifen will?‹, geht mir als Erstes durch den Kopf, während ich mir an die Seite fasse.
›Aber du wärst nicht mehr allein‹, überzeuge ich mich selbst.
›Deine Lebensmittel werden nicht reichen!‹
›Du hast mehr als genug für 3 Leben!‹

Ich schüttele meinen Kopf und schau wieder aus dem Fenster. Der Mensch ist weg. Und für einen Moment macht sich Enttäuschung breit, als plötzlich ein Alarm vom Fahrstuhl her kommt. Ich haste zu dem Monitor. Der Mensch steht an der Tür und hämmert dagegen. Natürlich gibt es keine Klingel. Ich überlege schnell, wie ich nun vorgehe, und drücke einen Knopf.
»Was willst du?«, frage ich forsch. Der Mensch schaut sich um. »Rechts oben von dir.« Der Mensch sucht weiter und scheint die gesicherte Kamera gefunden zu haben. Ich höre nichts, da kein Mikro verbaut wurde. Das hätte die Kälte eh nicht überstanden. Die Person scheint zu schreien, aber der Mund ist bedeckt.

»Bist du allein?«, frage ich. Der Mann zögert, gefolgt von einer eher verneinenden Geste. Die Person öffnet ihre dicke Jacke, die mit Wärmepads ausgestopft zu sein scheint und für einen Moment schaut ein kleiner Katzenkopf heraus, der sich aber schnell wieder ins innere verzieht.
»Sind noch andere Menschen bei dir, und auf dem Weg hier her?«, frage ich etwas präziser. Diesmal schüttelt die Person sofort den Kopf. Die Hände zu einem Bitten faltend, scheint die Person mich anzuflehen.
»Ich mache die Tür auf. Du hast fünf Sekunden hereinzukommen. Anschließend warte. Es kann dauern. Verstanden?«, gebe ich fordernd zu mir.

Die Person schaut sich um. Sieht die ganzen Leichen. Sie scheint abzuwägen, ob sie das Risiko zu verschwinden eingeht, oder sich dem Risiko des endgültigen Erfrierens stellt.
»Ich tu dir nichts. Komm rein, oder lass es«, brumme ich, öffne die Tür, welche 13 Sekunden braucht, um sich zu öffnen. Nach fünf Sekunden sollte die Person schon reinschlüpfen können. Die Person verschwindet aus der Kamera und ich drücke nach sieben Sekunden bereits wieder den Knopf zum Schließen.
Ich schaue mich um, ziehe dicke Stiefel, eine gut gepolsterte Hose und Jacke an, welche ich bis zu meinem Gesicht hin verschließe. Zusätzlich ziehe ich noch eine Schneebrille auf, um die Augen vor der Kälte zu schützen.

Ich nehme ein Gewehr zur Hand und den die Schlüssel für den Fahrstuhl. Der Fahrstuhl hat sich zwei Jahre nicht bewegt. Das könnte holprig werden. Ich stecke den Schlüssel ins Schloss, um den Fahrstuhl zu rufen. Die Tür öffnet sich sofort. Nach dem Einsteigen schaue ich die Tafel mit den Knöpfen an. W und L.
Mit den Augen messe ich ca. acht Zentimeter nach rechts von der L-Taste ab und halte den Schlüssel an dieser Stelle. Es öffnet sich eine kleine Metallplatte, die ein Schloss offenbart mit drei weiteren Knöpfen. E, R und Q. Ich drücke auf die E-Taste und die Metallplatte schließt sich wieder. Der Aufzug setzt sich langsam in Bewegung.

Ich werde nervös. Die letzte Begegnung endete tödlich für den Besucher. Und für mich war es auch nicht ungefährlich. Der Fahrstuhl fährt weiter. Wenige Augenblicke später kommt er zum Stehen. Öffnet sich und grelles Licht schaltet sich ein.
Ich gehe zum Terminal für die Türen. Ich tippe drei längere Zahlenfolgen ein und die drei Stahltüren öffnen sich nacheinander. Ich stelle mich zentriert davor und halte das Gewehr auf die Türen gerichtet. Langsam öffnend, geben sie eine Gestalt frei.
»Nicht schießen«, kommt es dumpf aus der vermummten Gestalt. Ein Mann wie es scheint. Schade.
»Hast du Waffen bei dir?« Sofort schüttelt die Person mit dem Kopf.
»Sie können mich durchsuchen. Aber passen sie auf das Tier auf«, bittet er und hält sich seinen Bauch, aus dem ein leises Miauen kommt.
»Komm«, befehle ich und der Mann setzt sich sofort in Bewegung. Ich drücke einen Knopf auf dem Terminal, als er durch ist, und warte, bis die Türen sich geschlossen haben.
»Geh vor«, sage ich, mit dem Gewehr auf den Aufzug deutend, dessen Tür noch offen steht. Der Mann steigt ein und ich Folge. Ohne den Mann aus den Augen zu verlieren, drücke ich mit dem Schaft auf die W-Taste des Fahrstuhls.

Beklemmende Stille begleitet uns auf der Fahrt in die Wohnung. Keiner von uns wagte zu sprechen. Nur die Katze in der Jacke Miaute immer wieder. Oft gefolgt von einem »Pscht« des Besuchers. Vermutlich um die Ruhe zu behalten. Der Aufzug steht still und die Türen öffnen sich. Sofort will der Besucher rausstürmen.
»Moment!«, rufe ich. »Du musst vorsichtig die Scheiben beiseite schieben. Dafür brauchst du beide Hände!« Der Mann kniet sich nieder, öffnet die Jacke und ein kleines Kätzchen purzelt heraus. Sofort steht er auf und schiebt die Glasscheiben beiseite und tritt in das Wohnzimmer ein.

Das Kätzchen tapst hinterher und fällt beinahe mit den Vorderpfoten in den Spalt zwischen Fahrstuhl und Zimmerboden. Ich gehe sofort in die Knie und hebe das Tier hoch. Nachdem ich ausgestiegen bin, drücke ich einen Knopf in der Wohnung und der Fahrstuhl verriegelt sich wieder. Nachdem die Scheibe wieder zurechtgerückt wurde durch den Besucher, lasse ich das Kätzchen runter und sofort steuert es die Säule in der Raummitte an.
»Zieh dich aus!«, gebe ich nun fordernd von mir. Der Besucher ist etwas erschrocken. Scheint aber Verständnis dafür zu haben, denn er beginnt damit sich zu entkleiden.

Er öffnet die Jacke, welche mit unzähligen Wärmepads ausgestattet wurde. Er löst seinen Schal und legt Mütze und Schneebrille ab. Auch in den Hosen, die er sich von den Beinen streift, sind Wärmepads vernäht.
»Das reicht«, sage ich beruhigt, als er Shirt und Unterwäsche ausziehen wollte. Ich lege das Gewehr beiseite und befreie mich ebenfalls von den Klamotten, welche ich sorgfältig verräume.
»Einen augenblick«, bitte ich und gehe zur Leiter zum Lagerraum.
»Miau« höre ich direkt hinter mir.
»Keine Sorge. Ich hab dich nicht vergessen«, antworte ich, als würde ich das Tier verstehen. Ich schaue kurz zum Mann, der unbewegt da steht. Ein Lächeln ziert sein Gesicht.

Nachdem ich ins Lager geklettert bin, schaue ich mich um.
»Na ein Glück habe ich wirklich an alles gedacht«, brumme ich vor mich hin, während ich nach einer Hose, einem Pullover, frischer Unterwäsche, einer Decke und einem Kissen greife. Ich werfe die Sachen durch die Falltür. Vorsorglich greife ich noch zu einer Packung Antibiotika, Vitamintabletten und Schmerztabletten, welche ich ebenfalls herunterpurzeln lassen.
Ich lasse weiterhin noch zwei Flaschen Wasser durch die Tür fallen und noch zwei Dosen. Anschließend klettere ich herunter und trete dabei auf eine der Dosen.
»Verdammte Scheiße«, brülle ich und der Mann kommt sofort angerannt und zieht alles unter mir weg. »Danke.«
»Kein Problem.«

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